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Deutsch-niederländischer Austausch mit Fahrrädern und Streichelzoos

Unser Familien Spielplatztest mit Expertin Ilse in Groningen

Wie sehen inklusive Spielplätze in den Niederlanden aus?

Dieser Frage sind wir – Julia und Burkhard Küthe von natürlich inklusiv – im April 2025 auf einer besonderen Reise in die niederländische Stadt Groningen nachgegangen. Begleitet von unseren Kindern und bei strahlendem Sonnenschein trafen wir uns mit der inklusiven Spielraumexpertin Ilse van der Put und ihrem Mann André – stilecht per Leihfahrrad.

Fahrradstadt Groningen – Abenteuer auf zwei Rädern

Schon die Anreise war ein Erlebnis: Die Fahrradinfrastruktur Groningens ist beeindruckend – aber auch herausfordernd, besonders wenn man das Radfahren auf dem Land oder in Kleinstädten gewohnt ist.
An manchen Kreuzungen hatten alle 30 Radfahrer gleichzeitig Grün. Dazu E-Bikes, Motorroller, Autos – da braucht es aufmerksame, aber auch entspannte Eltern, die einen kühlen Kopf bewahren. Zum Glück ging alles gut – und wir konnten die Stadt auf zwei Rädern aus einer ganz neuen Perspektive erleben.

1. De Beestenborg – barrierefrei, aber mit Wartungsstau

Unser erster Halt: De Beestenborg (Akeleiweg 69), ein kostenloser Streichelzoo mit Spielplatz im Osten Groningens – und einer der größten seiner Art. Ilse war an der Entstehung beteiligt. Neben Eseln, Kaninchen und Ziegen gibt es:

  • eine große Seilpyramide
  • eine Seilbahn
  • Klettergeräte
  • Familienschaukel, Sandkasten & Fahrzeuge
  • ein Teehaus mit Kaffee, Eis und Keksen

Das Besondere: Die Spielgeräte wurden von der Speeltuinbende getestet – einer Testgruppe von Kindern mit und ohne Behinderung.

Als Spielplatzprüfer fiel mir aber sofort auf:

  • Unter der Seilpyramide liegt das Fundament frei – der Fallschutz ist in diesem Bereich also nicht gegeben. Das stellt aus Sicht der DIN EN 1176 einen erheblichen sicherheitstechnischen Mangel dar und würde in einer Hauptuntersuchung entsprechend beanstandet.
  • Die Seilbahn hängt zu tief – selbst unsere Tochter streifte beim Fahren fast den Boden. Laut Norm muss die Bodenfreiheit bei 65 kg Belastung mindestens 350 mm betragen.

Ilse bestätigte: „Hier fehlt es wie so oft an Geld für Wartung.“ Ein Problem, das wir aus Deutschland nur zu gut kennen.

2. Speelnatuur van OERRR Kardinge – Naturspiel mit Fragezeichen

Nach einer Pizza-Pause bei Momentum Padel ging es weiter zur Speelnatuur von OERRR Kardinge, einem naturnahen Spielgelände zwischen Beijum und Lewenborg.

Hier erleben Kinder Natur mit allen Sinnen:

  • barfuß durch Matsch waten
  • mit Wasserpumpen experimentieren
  • über Trittsteine hüpfen und Käfer entdecken

Und im Sommer? Wer möchte (und kann), kann hier sogar baden gehen – ein echtes Highlight für warme Tage.
Unsere Kinder hatten hier viel Spaß – besonders mit dem Wasserspiel, das sie über einen längeren Zeitraum fesselte, ohne dass Langeweile aufkam.

Ein besonders interessanter Punkt für uns war die Wassererfahrung aus Sicht von Rollstuhlfahrern:
Entlang der wassergebundenen Decke wurde eine Betonsenke integriert, die sich bei Regen mit einer kleinen Menge Wasser füllt. In unserem Fall war sie zwar trocken – es hatte wochenlang nicht geregnet –, aber Ilse erklärte, dass sich bei typischem niederländischen Wetter dort gezielt Wasser sammelt. Rollstuhlnutzende können dort ein kleines Stück durch seichtes Wasser fahren, ohne „allzu“ nass zu werden.

Ilse war selbst positiv überrascht, dass diese Gestaltung auch Jahre nach der Eröffnung noch genau so funktionierte wie geplant.

Und doch bleibt eine kritische Fachbetrachtung erlaubt:
Der Weg zur Wasserpumpe besteht aus wassergebundener Decke – ein Material, das laut meinem Zertifikatsstudium für barrierefreie Freiraumgestaltung nicht als barrierefrei gilt.
Für E-Rollis mag der Weg noch machbar sein – aber:

Selbstständig im Sinne echter Autonomie sieht für mich anders aus.

Hier stellt sich die Frage: Reicht „gemeinsames Spielen mit Hilfe“? Oder braucht es Angebote, die wirklich eigenständig nutzbar sind?

Ein weiterer Punkt, der uns bei unserem Besuch auffiel:
Es fehlt an Schattenplätzen, die zum Ausruhen oder Rasten einladen – besonders an heißen Tagen wie unserem, an dem die Sonne regelrecht brannte.
Auch eine Toilette ist auf dem Gelände nicht vorhanden – was für Familien mit kleinen Kindern vielleicht noch lösbar ist, für Menschen mit Behinderung jedoch eine echte oder sogar unüberwindbare Herausforderung darstellen kann.

3. Speeltuin Stadspark – gepflegt, grün gelegen und familienfreundlich

Unsere letzte Station führte uns in den Stadspark von Groningen – genauer gesagt zum Speeltuin Stadspark (Stadspark 3, 9727 KG Groningen), der direkt neben einem Streichelzoo liegt. Der Spielplatz ist von hohen Bäumen umgeben und liegt ruhig im Grünen – ein schöner Ort zum Ankommen und Verweilen.

Die Spielgeräte stammen von Lappset und wirken durchdacht gestaltet, langlebig und funktional. Alle Spielbereiche sind mit Kunstrasen oder Teppichfliesen ausgelegt, was für eine saubere, gepflegte und gut nutzbare Fläche sorgt.

Aus unserer Erfahrung als Planer und Eltern:

  • Der Platz bietet vielfältige Kletter-, Rutsch-, Schaukel- und Wippangebote
  • Für meinen Geschmack – als Tischler mit Liebe zum Werkstoff Holz – waren es etwas viele standardisierte Kataloggeräte. Ich persönlich schätze besonders Spielanlagen, die individuell gefertigt sind oder sich gestalterisch besonders stark in die Umgebung einfügen. Natürlich ist mir bewusst, dass solche Unikate mit mehr Planungsaufwand und höheren Kosten verbunden sind.
  • Der Platz war sehr gepflegt und gut besucht. Unsere Kinder zogen nach einer Weile den benachbarten Streichelzoo vor – ein Zeichen dafür, dass sich die Spielangebote in diesem Fall eher an jüngere Kinder richten.

Fazit:
Ein sehr schöner, gut erreichbarer und familienfreundlicher Spielplatz – besonders geeignet für Kinder im Kita- und Grundschulalter.

Und wenn doch mal eine Spielpause nötig ist:

Nur 50 Meter entfernt lädt der Streichelzoo zum kostenlosen Besuch ein – ein perfekter Zusatz für Familien mit Kindern.

Und zwischendurch? Fachsimpeln, Lachen, Neues entdecken

Die Gespräche mit Ilse van der Put und ihrem Mann André waren wertvoll, offen und tiefgehend – über Planung, Beteiligung und kulturelle Unterschiede im Spielplatzbau.
Ilse, Gründerin der Initiative Empowerment by Playing, ist ein echtes Vorbild in Sachen inklusiver Beteiligung.
Justus war besonders stolz, als er sein Schulenglisch testen konnte – mit Erfolg!

Am Ende des Tages waren wir alle ziemlich müde. Die Sonne hatte uns den ganzen Tag begleitet – mit so viel Sonnenschein hatten wir ehrlich gesagt gar nicht gerechnet.
Sonnencreme? Fehlanzeige.
Aber dafür jede Menge positiver Eindrücke, gute Gespräche und eine unglaublich freundliche Gastgeberin mit Ilse und ihrem Mann, die uns mit Herzlichkeit und Offenheit empfangen haben.

Ein wunderschöner Tag mit bleibenden Eindrücken.
Und wir wissen jetzt: Das war nicht unsere letzte Spielplatzreise mit dem Fahrrad durch Groningen. 🚲

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