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Gastbeitrag von Dr. Heike Brauer

Der Schulhof als Lern- und Lebensraum beim Ankommen in der neuen Schule

Der Umzug in ein neues Schulgebäude ist für eine Schulgemeinschaft ein sensibler Prozess. In der Phase 10 – der Phase des Ankommens – spielt der Schulhof eine zentrale Rolle: als Rückzugsort, Erfahrungsraum und Spiegel der Schulkultur. Der Beitrag zeigt, warum es sich lohnt, den Außenraum nicht nur mitzudenken, sondern aktiv in den Entwicklungsprozess einzubeziehen – und wie Kinder dabei selbst zu Impulsgeber:innen werden.

Zwischen Pause und Pädagogik: Der Schulhof als unterschätzter Entwicklungsraum

Wenn eine Schule neu gebaut oder saniert wird, ist vieles anders – der Grundriss, das Licht, die Akustik, die Möbel. Aber das Wichtigste verändert sich unsichtbar: das Gefühl.

Ein neues Schulgebäude bedeutet Neuanfang. Orientierung. Hoffnungen. Unsicherheiten. Genau in dieser Übergangszeit, diese Zeit der Inbesitznahme wird auch Phase 10 genannt, begleite ich Schulen dabei, im neuen Raum anzukommen. Die Phase 10 ist nicht Teil der klassischen Architekturplanung (HOAI), aber in ihr entscheidet sich, ob Konzepte tragen und die Räume sich so nutzen lassen, wie einmal geplant. Und immer wieder erlebe ich, dass ein entscheidender Ort genau in dieser Phase 10 unterschätzt wird: der Schulhof.

Er ist oft der erste Ort, den Kinder morgens sehen. Der Ort, an dem Freundschaften entstehen – und Konflikte. Der Ort, an dem sich Kinder zeigen, wie sie wirklich sind. Und trotzdem wird er in vielen Prozessen stiefmütterlich behandelt: als reine „Pausenfläche“, als Außenhaut eines durchgeplanten Gebäudes.

Doch der Schulhof ist mehr. Er ist ein Erfahrungsraum. Und ein Spiegel dafür, wie wir Schule denken.

Ankommen braucht Raum – auch draußen

Die Phase 10 beginnt nach dem Einzug ins neue Schulgebäude. Sie ist die Zeit, in der sich zeigt, ob Konzepte tragen – und ob die Räume wirklich das ermöglichen, was sie versprechen. Es ist eine sensible Phase, in der Unsicherheiten aufbrechen und Routinen neu gefunden werden müssen.

Der Schulhof spielt dabei eine zentrale Rolle. Gerade in den ersten Wochen wird er zur Zuflucht für Kinder, die sich im neuen System noch fremd fühlen. Er bietet Bewegung für Unruhige, Schutz für Überforderte, Raum für Begegnung, wenn drinnen alles noch ungewohnt ist.

Wenn wir in dieser Phase auf das hören, was Kinder uns zeigen – nicht nur sagen – dann wird der Schulhof zum Schlüssel für echte Teilhabe.

Mehr als nur Pause

Die Vorstellung, dass der Schulhof nur zur „Erholung“ dient, greift zu kurz. Er ist ein Raum, in dem gelernt, gespielt, gestritten, versöhnt und gedacht wird. Und das nicht nur in der Pause. Wenn Schulen beginnen, den Schulhof pädagogisch mitzudenken, entsteht ein Lernraum im besten Sinne – besonders für Kinder, die im Klassenzimmer wenig Anschluss finden.

In der Phase 10 frage ich deshalb gemeinsam mit Schulen:

  • Wo entstehen Gruppen – und wo Isolation?
  • Welche Ecken werden gemieden – und warum?
  • Wo fehlen Reize, wo überfordern sie?
  • Welche Kinder nutzen welche Flächen – und welche nicht?

Die Antworten darauf sind oft berührend – und klar. Plötzlich wird sichtbar, was ein gutes Raumgefühl ausmacht: ein Baum, unter dem man allein sein darf. Ein schräger Sitzblock, auf dem drei Kinder nebeneinander sitzen, ohne zu sprechen. Ein Weg, der nicht gradlinig zwei Punkte miteinander
verbindet, sondern auch kleine „Umwege“ macht.

Entwicklung braucht Beteiligung – und Geduld

Ein inklusiver Schulhof entsteht nicht allein am Reißbrett. Er entwickelt sich im Alltag. In meiner Begleitung während der Phase 10 rege ich Schulen an, den Schulhof als Prozessraum zu sehen: Nichts muss perfekt sein – aber vieles darf wachsen. Und hier bietet gerade der Schulhof Potential, denn Veränderungen und Verbesserungen sind häufiger einfacher umzusetzen, als in einem starren Gebäude. Damit ergibt sich eine gute Gelegenheit, Anpassung des Raums an Bedürfnisse im Kleinen zu üben.

Ich erlebe dabei, wie stark Kinder sind, wenn man ihnen zuhört. Wie präzise sie formulieren können, was sie brauchen – nicht als Raum, sondern als ein Gefühl: „Ich möchte einen Ort, wo ich einfach sitzen und schauen kann“.

Gerade jüngere Kinder haben dabei oft den klareren Blick als Erwachsene. Sie denken in Handlungen, nicht in Raumtypen und in Möglichkeiten, nicht in Einschränkungen.

Ein solcher Dialog braucht Zeit, Raum und Ernsthaftigkeit. Aber er lohnt sich – denn was dabei entsteht, sind nicht nur bessere Schulhöfe, sondern Schulhöfe, die dazugehören.

Fazit: Der Schulhof als Teil der Schulkultur

In der Phase 10 geht es nicht darum, Mängel zu beheben, sondern Potenziale zu erkennen. Auch und gerade im Außenraum. Der Schulhof ist kein Nebenschauplatz – er ist Bühne, Rückzugsort, Resonanzraum.

Er zeigt, wie Kinder sich gesehen fühlen. Und er prägt, wie sie Schule erleben.

Wenn wir den Schulhof in der Übergangszeit bewusst begleiten – mit Aufmerksamkeit, mit Beteiligung, mit Offenheit für Veränderung –, dann entsteht ein Ort, der nicht nur funktioniert, sondern belebt wird.

Heike Brauer berät seit vielen Jahren Schulträger und Schulleitungen rund um das Thema Schulbau und Raumgestaltung. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die Frage, wie pädagogische Konzepte und räumliche Strukturen sinnvoll zusammenspielen – immer mit dem Ziel, Lernräume zu schaffen, die Bildung heute und morgen ermöglichen.

„Mich begeistert, wenn Schulen den Mut haben, Raum wirklich neu zu denken – weil genau dort Veränderung beginnt.“

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